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  die idee

"Vor zwanzig Jahren gehörte noch Mut dazu, einen Architekten wie Giuseppe Terragni (1904-43) für seine elegante strenge Architektur zu preisen. Denn er war ganz zweifellos einer der Großen in Italien, womöglich der größte Meister der inzwischen klassisch genannten Moderne, aber eben auch ein Faschist, der seine Mitgliedschaft in Mussolinis Partei niemals geleugnet hatte. Die Ambivalenz der Persönlichkeit Giuseppe Terragnis, seine Spaltung zwischen anspruchs- vollem architektonischem Werk einerseits und politischer Verstrickung andererseits erschweren die Analyse seines Werkes." 

Hamburger Architekturstudenten haben sich dem dem ambivalenten italienischen Meister auf sehr praktische Weise genähert: Sie bauten zwanzig seiner Bauwerke, sowohl realisierte wie Entwurf gebliebene, in großen, in der Mitte auseinander zuziehenden Modellen, im Maßstab 1:50 nach. Jan Mollowitz und Jörg Bornholdt planten und realisierten mit diesen Modellen die Ausstellung im Hamburger Phönixhof.

Der Ausstellungskatalog (Giuseppe Terragni Modelle einer rationalen Architektur, ISBN 3-7212-0343-7) dokumentiert "diese Auseinandersetzung mit dem Werk des italienischen Rationalisten, der seine Anregungen viel strenger, aber auch phantasievoller ais die übrige klassische Moderne Europas aus der Geometrie bezogen, aber dabei zugleich die mediterrane Geschichte reflektiert hatte". 

 

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die idee durch 
eine zeichnung 
von terragni...

 

 

 

...umgesetzt in der  ausstellungshalle

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...perspektiven...

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  die modelle

albergo posta, como, 1930 - 1935

Den Auftrag zum Entwurf einer Pension mit Restaurant erhält zunächst Attilo Terragni Sein Bruder Giuseppe übernimmt das Projekt in der ersten Bauphase.

Das Grundstück liegt im Zentrum von Como, unmittelbar am See. Beschwerden der örtlichen Behörden führen zu einer zeitweisen Unterbrechung der Bautätigkeit und zwingen Terragni zu erheblichen Kompromissen in der Ausführung Das Gebäude gruppiert sich um einen allseits geschlossenen Innenhof Über dem Restaurant im Erdgeschoss und einem Gemeinschaftsraum für Gäste im ersten Obergeschoss befinden sich in den oberen Geschossen die Gästezimmer Trotz der Kompromisse, die Terragni eingehen musste, geht er doch den beim Novocomum (1928) eingeschlagenen Weg weiter, was sich sowohl im Raumgefüge als auch in Details der Ausstattung zeigt.

danteum, rom, projekt 1938

1938 entwarf Giuseppe Terragni zusammen mit Pietro Lingeri das Danteum. Geplant war, ein Museum mit einem Dante-Studienzentrum vereinen. 
Die Idee, Dantes "Göttliche Komödie", in eine räumliche Struktur zu fassen, wurde nie realisiert, die Zeichnungen und Skizzen befinden sich im Archivo Terragni in Como. 

(video folgt)

Die Filmsequenz des Modellaufbaus stellt einen Teil der Giuseppe Terragni Ausstellung dar, die ein Beitrag des Fachbereichs Architektur der Fachhochschule Hamburg zum Hamburger Architektursommer 1997 war. 

...eindrücke

 

 

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  die ausstellungsorte

5. bis 23. november 1997

phönixhof hamburg

deutsches architektur zentrum in berlin

26. mai bis 16. august 1998

9. märz bis 6. mai 2001

deutsches architektur museum in frankfurt

fachhochschule für architektur in münchen

2. bis 26. juli 2002
städtische galerie erlangen

 

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  die presse

Ein Faschist inmitten der Moderne

Der italienische Architekt Giuseppe Terragni wird in Berlin mit Modellen seiner Bauten und Entwürfe präsentiert

VON BERNHARD SCHULZ 

Das Werk des Architekten Giuseppe Terragni hat Fachkollegen seit jeher fasziniert. In seinen Bauten scheint ein Kulminationspunkt dessen erreicht, was nach dem Zweiten Weltkrieg als International Style in der westlichen Hemisphäre prägend war. Und da genau liegt das Problem: Denn während die "weiße Moderne" mit dem Grundkanon westlicher Freiheit assoziiert wurde, war Terragni - überzeugter Faschist. Die Rezeption machte lange Zeit einen Bogen um die Person und ihre Verstrickungen, während etwa sein Hauptwerk, die ausgerechnet auch noch so benannte "Casa del fascio" in seiner Heimatstadt Como, immer und immer wieder als Musterbeispiel des razionalismo, der italienischen Spielart einer geometrisch-klaren Moderne, zitiert wurde.

Es dauerte bis zum vorvergangenen Jahr, bis ein gültiges Îvreverzeichnis vorgelegt und das Gesamtwerk parallel dazu in einer umfassenden Ausstellung gewürdigt werden konnte. Die Mailänder Retrospektive konnte nicht nach Deutschland wandern; aber das Interesse war neuerlich bei einer jungen Generation geweckt, so wie zwanzig Jahre zuvor eine Wanderausstellung der Architekturbiennale von Venedig mit den rationalistischen Architekten unter Mussolini bekannt gemacht hatte. Diesmal war es eine Hamburger Studentengruppe, deren Exkursion nach Mailand Früchte trug. Aus der Beschäftigung mit Terragnis spätem, nur Entwurf gebliebenen Hauptwerk des "Danteums" für Rom, einem prägenden Bauwerk der faschistischen Ideologie, erwuchs die Nachbildung von anderthalb Dutzend Bauten und Entwürfen des Architekten, der 1904 in Como geboren wurde und dort auch, nachdem er schwerkrank von der russischen Front zurückgekehrt war, 1943 verstarb. Diese faszinierende Ansammlung von Modellen, alle aus gelblicher Finnpappe und im Maßstab 1:50, umrahmt das bald zwei Tonnen (!) schwere Gipsmodell des Danteums im ungewöhnlichen, der näheren Erforschung dieses faszinierenden Entwurfs dienenden Maßstab 1:20. Das Deutsche Architektur-Zentrum (DAZ), diese in so vielfältiger Weise die Architekturdiskussion anregende Institution, holte die Ausstellung jetzt nach Berlin, begleitet zudem von einem Katalog, der zur Hamburger Erstpräsentation noch nicht erscheinen konnte.

Nicht die Ausstellung, wohl aber der Katalog tut sich schwer mit dem überzeugten Faschisten Terragni. Unausgesprochen schwingt immer wieder der Vorwurf des "intellektuellen Verrats" mit. Doch um die Gunst Mussolinis konkurrierten mehrere künstlerische Strömungen: die Gruppe um die Zeitschrift Novecento, die sich der Tradition und der italianità verpflichtet fühlte; ihr gegenüber die Futuristen der zweiten Generation, die die Vergangenheitsseligkeit haßten und den technischen Fortschritt propagierten; und schließlich die Rationalisten in Kunst und Architektur, die in Mailand ihr Zentrum hatten.

Erst während des Krieges orientierte sich Mussolini endgültig auf einen bombastischen Neuklassizismus nach Speerschem Vorbild. Mit dem Fronteinsatz verlöschte auch Terragnis Arbeit, nachdem sein Stern, geschmeidigeren Regimebaumeistern wie Piacentini gegenüber, bereits im Sinken begriffen war. Das Jahrzehnt zwischen 1927 und 1938 sah die Erfolge Terragnis, wie sie in den Modellen der Ausstellung nachzuerleben sind: am Anfang der Wohnblock "Novocomum" mit seinen nach Art der frühsowjetischen Konstruktivisten gerundeten, gläsernen Ecken, dann das erwähnte Hauptquartier der faschistischen Partei von 1932 / 36 und schließlich das Mailänder (Edel-)Mietshaus Casa Rustici von 1933 / 36, das der fruchtbaren Zusammenarbeit mit dem dortigen Architekten Pietro Lingeri entstammt. Die Modelle dieser drei Bauwerke in der makellosen Schönheit ihrer geometrischen Struktur stehen im DAZ im Mittelpunkt. Seitlich davon sind die weiteren Modelle aufgereiht, unter denen dasjenige des Kinderheims Asilo Sant'Elia von 1936 / 37 in seiner wunderbaren inneren Organisation heraussticht.

Das Danteum hingegen will sich im Modell trotz der ungewöhnlichen Größe seines Maßstabes nicht recht erschließen. Die Verbildlichung der Divina commedia und des Aufstiegs von der Hölle zum Paradies, mehr aber noch die Stellung Dantes als italienischem Nationaldichter und dessen faschistische Indienstnahme - all das bleibt, wiewohl für den Entwurf bestimmend, unerklärt. Zudem wirkt das Gipsmodell gegenüber der Fragilität der Pappmodelle unangemessen monumental. Dabei weist der Katalog zu Recht darauf hint, daß sich das ausgeführte Gebäude inmitten der unter Mussolini freigelegten römische Kaiserforen mitnichten bombastisch ausgenommen hätte.

Terragni wollte an der Casa del fascio das Motto des Regimes, "Ordnung, Autorität, Gerechtigkeit", angebracht wissen. Auch gibt es eine Entwurfs-Collage, die Mussolinis fotografisches Bildnis als monumentalen Schmuck der natursteinweißen Stirnwand zeigt. Terragni, der als Mitglied der italienischen Delegation beim Athener CIAM-Kongreß von 1933 an der Kodifizierung der "weißen Moderne" beteiligt war und die Bauten seiner Heimatstadt Como unter allgemeinem Applaus vorstellte, läßt sich nicht auf den politisch mißbrauchten Künstler zurechtstutzen.

Sein Funktionalismus deckt sich mit der Modernisierungsstrategie, die Mussolini verfolgte, und ebenso mit den propagandistischen Mitteln des Regimes. Das Problem ist nicht die eindeutige Haltung des Architekten - noch an der russischen Front fügte er Hakenkreuze in seine Zeichnungen ein -, das Problem der Ausstellung im Deutschen Architektur Zentrum ist der Rückzug auf die feinen, puristischen Modelle. Gewissermaßen neben ihnen steht Giuseppe Terragni, der "Abweichler" der Moderne.

Deutsches Architektur-Zentrum, Köpenicker Straße 48/49, bis 16. August. Di bis Sa 10 - 18 Uhr. Katalog (mit CD-ROM) im Verlag Niggli, 56 DM.

Der Tagesspiegel vom 28. Mai 1998

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Außer Spesen nichts gewesen

Das renovierte DAM in Frankfurt am Main

Von Christian Huther

"Der letzte Schliff fehlt noch, gesteht Hausherrin Ingeborg Flagge. Dennoch macht das Deutsche Architekturmuseum (DAM) in Frankfurt am Main nach nur zweimonatiger Renovierung einen frischen Eindruck. Denn die vor neun Monaten angetretene neue Direktorin ließ das Haus in den Zustand von 1984 zurückbauen, als Oswald Mathias Ungers aus einer Doppelhausvilla ein Museum geschaffen hatte. Nun sind alle störenden Einbauten und Stellwände entfernt.

Das Haus hat an natürlichem Licht und scheinbar auch an Luft gewonnen. Aber dieser Eindruck trügt. Im Erdgeschoss ist es jetzt derart hell, dass im Fensterbereich keine lichtempfindlichen Zeichnungen mehr gehängt werden können. Flagge stört der Platzverlust nicht, will sie doch von den Mammutveranstaltungen weg und lieber parallel zwei oder drei kleine, aber überschaubare Ausstellungen gestalten. Freilich fehlt dazu das Geld. Denn der Etat von 3,5 Millionen Mark wird für Personal und laufende Kosten verwendet. Für Ausstellungen bleibt nichts übrig. Zwar dürfen die Einnahmen aus dem Verkauf von Katalogen und Postkarten verwendet werden, aber mehr als eine sechsstellige Summe pro Jahr kam bisher nicht zu Stande. Auch mit dem Kreis von einhundert Förderern ist Flagge nicht weiter gekommen; das Interesse für Architektur ist groß in der Mainmetropole, aber bei Geld hört die Freundschaft auf.

Immerhin ist es ihr gelungen, rund 1,7 Millionen Mark für die Renovierung aufzutreiben und das Haus ästhetisch auf Vordermann zu bringen. Die Stadt gab 840 000 Mark dazu, der Rest stammt von Sponsoren, meist in Form von Sachleistungen; denn auch Fußböden, Glasdächer und Lampen wurden erneuert. Bis Anfang April sollen noch ein Café und ein Museumsshop einziehen, im zweiten Obergeschoss wird die Dauerausstellung "Von der Urhütte zum Wolkenkratzer" wieder eröffnet. Diese zeigt an 24 Modellen die Geschichte des menschlichen Bauens und war noch vom inzwischen verstorbenen Gründungsdirektor Heinrich Klotz initiiert worden.

Flagge will sich künftig vor allem um ein junges Publikum bemühen. Auch "an- und aufregende Diskussionen" liegen ihr am Herzen, um das Haus wieder zu einer aktiveren Rolle im Konzert der Museen zu verhelfen. Dazu zählen auch die beiden jetzt präsentierten, sehr gegensätzlichen Architekten. Im Erdgeschoss ist der italienische Architekt Guiseppe Terragni (1904 - 1943) mit Modellen und Fotos seiner rationalen, elegant antikisierenden Bauten zu sehen.Terragni war überzeugter Faschist; im ersten Obergeschoss indes wird Ernst May mit seiner Exilzeit in Ostafrika von 1934 bis 1953 vorgestellt. May, der erfolgreiche Städtebauer und Begründer des sozialen Wohnungsbaus in den zwanziger Jahren, konnte unter den Nazis nicht mehr aus der Sowjetunion zurückkehren, ging nach Kenia und versuchte als einfacher Architekt, seine moderne Formensprache unterzubringen - mit wechselndem Glück, denn meist war der englische koloniale Landhausstil gefragt.

Während die Terragni-Schau bereits durch einige deutsche Städte wanderte, kommt die May-Ausstellung aus dem Museumsbestand. Diese Mixtur aus Internationalem und Regionalem, aus Kooperationen und Eigenarbeit wird wohl die Linie des Hauses bestimmen, ergänzt durch monatlich wechselnde Ausstellungen im Dachgeschoss. Derzeit sind dort "Junge Architekten in Hessen" zu sehen, danach sind drei Kölner Baumeister an der Reihe. Und wenn es Ingeborg Flagge schafft, das Haus wieder mehr ins Rampenlicht zu rücken, wird sie auf Dauer auch genügend Mittel für Ausstellungen auftreiben können. Noch ist das Lamento über das leidige Geld einfach zu groß. Außer Spesen ist bisher nicht viel gewesen.

Deutsches Architekturmuseum, Frankfurt am Main, beide Ausstellungen bis 8. Mai; Kataloge je 58 Mark."

Der Tagesspiegel vom 10.03.2001

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Das Deutsche Architektur Museum in Frankfurt a.M. – runderneuert

Von Gudrun Escher

"Als Heinrich Klotz gegen nicht unerhebliche Widerstände vor dreißig Jahren in Frankfurt ein deutsches Architekturmuseum gründete, zog er die Konsequenzen aus öffentlich geführten politischen Kontroversen, die letztendlich auch Architektur und Städtebau betrafen. Damals wurde über Ausstellungen und Aussagen, nicht nur im DAM, gestritten – heute nur noch berichtet. Ob man nun hingeht oder nur Kritiken liest, was ändert es?...
...Die Parallelausstellung „ Giuseppe Terragni", die nun schon seit 1998 durch die Lande tourt und noch erstaunlich frisch wirkt, sucht übrigens noch 60 m2 trockene Lagerfläche für gut ein Dutzend exquisiter Architekturmodelle."

DBZ 4/2001

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Schöne Vernunft 

Häuser des Rationalisten Giuseppe Terragni 

"Vor zwanzig Jahren gehörte noch Mut dazu, so jemanden wie Giuseppe Terragni für seine elegante strenge Architektur zu preisen Denn er war ganz zweifellos einer der großen, in Italien womöglich der größte Meister der von uns inzwischen klassisch genannten Moderne, aber eben auch ein Faschist, der seine Mitgliedschaft in Mussolinis Partei niemals geleugnet hatte. Das ist natürlich verständlich; wer sähe die Heroen unserer Kultur nicht am liebsten im Blütenweiß moralischer und politischer Integrität strahlen Doch ganz allmählich tastete man sich zu diesem außerordentlichen Talent durch; vor sieben Jahren erschien erst in Großbritannien, kurz darauf auch hierzulande eine englisch geschriebene Monographie über ihn -und nun hatten ihn sich sogar Studenten der Hamburger Fachhochschule zum Thema gemacht. Im November 1997, gegen Ende des langen, an Vorträgen, Ausstellungen, Debatten überreichen zweiten "Hamburger Architektursommers", wurde ihr Ergebnis präsentiert, mit über zwanzig Modellen in einem ehemaligen Altonaer Industriebau, dem imposanten Phoenixhof. 

Betreut von ihren Professoren hatten sich Studierende den für seine Architektur bewunderten, für seinen faschistischen Eifer ebenso verwünschten Italiener Giuseppe Terragni (1904-1943) vorgenommen Sie näherten sich dem wohl begnadetsten Apologeten der Moderne in Italien auf eine namentlich für sie sehr lehrreichen Weise, indem sie gut zwanzig seiner Bauwerke, sowohl gebaute wie Entwurf gebliebene, in großen, in der Mitte auseinanderzuziehenden Modellen im Maßstab 1:50 nachbauten, infolgedessen bis ins Detail studierten.

Diese Arbeit war nicht zuletzt deswegen so erstaunlich, weil an dem Projekt insgesamt weit über hundert Studierende mitgewirkt und mitgelernt haben. Sie erinnerte an eine - in Hamburg unbekannt gewesene - Anstrengung des weiland Münchner TU-Professors Friedrich Kurrent, der seine Studenten die wichtigsten Bauwerke unseres Jahrhunderts hatte nach bauen lassen, damit sich ihnen die dritte Dimension erschließe und ihr Blick für Raumproportionen und Architekturdetails trainiert werde. Genau dies war nun also auch in Hamburg geschehen. Wer vor den puppenstubengroßen Gebäuden stand, wurde zuerst von kindlichem Staunen beschlichen, ehe der Intellekt sich durch die bis in die Fenstersprossen reichende Präzision der Modellbauer herausgefordert fühlte Das öffentliche Ereignis aber war die so lange umgangene, überaus eindringliche Bekanntschaft mit dem epochalen, in nur dreizehn Jahren entstandenen Werk dieses Architekten.

Giuseppe Terragni war, wie man weiß, ein Protagonist des italienischen Rationalismus, der seine Anregungen viel strenger, aber auch phantasievoller als die übrige klassische Moderne Europas aus der Geometrie bezogen, aber dabei zugleich die mittelmeerische Geschichte reflektiert hatte. Und eben dies hatte diese Architektur doch auch für Benito Mussolini, den "Duce" so interessant gemacht. Er sah den neuen, von ihm diktatorisch geführten Staat in genau dieser strengen, elementaren Architekturmoderne dargestellt. Sie gebrauchte viel Glas, achtete mit äußerster Beflissenheit auf die Reinheit des Zusammenfügens und beschwor wunderbarerweise mit all dem doch auch die Antike und die Renaissance.

Nicht zuletzt deshalb passte den Faschisten die Architektur der Rationalisten, viel mehr als die der geschichtsstürmenden Futuristen mit ihrem wilden Zukunftsgeschrei, und auch viel mehr als die des Novocento, der sich ziemlich direkt auf die klassischen Grundformen bezog und mit dem Dekor haushielt. Anders als der deutsche Nationalsozialismus nämlich wollte der italienische Faschismus modern sein und es auch zeigen. Jedoch -in den späteren dreißiger Jahren von Hitler infiziert, glitt dann schließlich auch Mussolini in den monumentalen Neoklassizismus ab. Und 1943 wurde Casabella, die Stimme der Rationalisten, von den Faschisten verboten.

In Hamburg ist vor allem klar geworden, daß Terragni neben der weltbekannten Casa dei Fascio in Como in seiner Schlüssigkeit so vollkommen wie das Bauhausgebäude von Gropius in Dessau oder die Villa Tugendhat von Mies van der Rohe in Brünn - viel mehr bewundernswerte Bauwerke hervorgebracht hat. Und es sind auch nicht nur der von Licht durchflutete Kindergarten Sant' Elia, auch nicht nur das misstrauisch zur Kenntnis genommene, bald hochgeachtete Eckmietshaus Novocomum mit seiner asymmetrisch entwickelten inneren Symmetrie, es sind noch viel mehr Entwürfe, die das Studium Terragnis lohnen. Sie sind allesamt auf die Umgebung bezogen viel mehr sie sollten den Orten, für die sie entworfen waren, unübersehbar das Gepräge geben, einen Charakter. 

Dies und die durchweg lebhaft gegliederten, sehr vielfältigen, mit räumlichen Überraschungen aufgelockerten Grundrisse nun aber mit dem programmatischen Aufruf zu äußerster Logik, Vernunft, Geometrie und Strenge zusammenzubringen, fällt manchen Beobachtern offenbar immer noch schwer Auch daß es den Rationalisten bei alledem um menschenfreundliche Gebäude für eine menschenfreundlich einzurichtende Stadt zu tun gewesen war. Und so wirkt es nach wie vor seltsam, daß der Name Terragnis in einer der einflussreichsten Analysen der Gegenwartsarchitektur, in Sigfried Giedions Buch "Raum, Zeit, Architektur", nicht vorkommt, nicht existent ist.

Dabei hatten die italienischen Modernen, versammelt in der "Gruppe 7" doch ganz klar den "Gebrauch rationaler Mittel" verlangt, die "vollkommene Übereinstimmung des Gebäudes mit den Zwecken, denen es zu dienen hat", aber doch auch Respekt vor dem "Geist der Tradition". Sachliche Qualität ging ihnen vor Stil und Persönlichkeitsausdruck. Sie waren gestaltungsbesessene Verwandte der Funktionalisten etwas weiter nördlich, bevor deren Idee nach dem Zweiten Weltkrieg bis zur Unkenntlichkeit ruiniert worden ist.

Unter diesen leidenschaftlichen Erneuerern der Architektur war Terragni gewiss der fähigste, auch der rigoroseste, bisweilen der verbissenste - eine leuchtende Erscheinung. Daniele Vitale hat ihn einmal so charakterisiert "Er ist Architekt mit totalem Engagement, die Architektur ist seine Welt, sein Leben, seine Arbeit; sein persönlicher Weg ist die Beschränkung, die Tiefendimension der Analyse, die Suche nach Strenge". Wer vor seinen Bauwerken steht -sei es leibhaftig, sei es vor den Modellen -, wird oft nicht umhin kommen, das Eigenschaftswort "schön" zu gebrauchen."

Manfred Sack für den Austellungskatalog

 

 

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